Technische Due Diligence einer gebrauchten Pelletieranlage – Unabhängige Bewertung vor Investitionsentscheidung
Ausgangssituation
Ein Kunde plante den Erwerb einer gebrauchten Pelletieranlage, vorzugsweise als Komplettsystem, um Investitionskosten zu reduzieren. Da gebrauchte Anlagen am Markt oft schwer einzuschätzen sind, wurde eine technische Begutachtung erforderlich.
Über Gebrauchtbörsen wurde ein Anbieter in Bosnien gefunden, der eine vermeintlich „nur sieben Jahre alte“ Pelletierlinie anbot – inklusive Trocknung, Zerkleinerung, Pressung, Kühlung und Absackung. Die Beschreibung klang vielversprechend, daher wurde eine Vor-Ort-Besichtigung vereinbart.
Erkenntnis vor Ort
Schon bei der Ankunft zeigte sich ein völlig anderes Bild als erwartet:
- Die Anlage war nicht sieben Jahre alt,
sondern nur seit sieben Jahren vom Betreiber genutzt, jedoch aus älteren Gebrauchtmaschinen zusammengestellt. - Die technischen Unterlagen wurden nicht bereitgestellt.
- Der Wartungszustand war unklar.
- Viele Anlagenkomponenten entsprachen nicht europäischen Sicherheitsstandards.
- Die Betriebsumgebung war stark verschmutzt, was eine Beurteilung erschwerte.
Trotzdem lief die Anlage grundsätzlich funktional – aber unter Bedingungen, die in der EU nicht zulässig wären.
Durchführung der technischen Due Diligence
Die Bewertung erfolgte nach einem strukturierten Schema, bestehend aus:
Analyse der Trocknungsanlage
- Zustand des Brenners
- Luftführung
- Sicherheitseinrichtungen
- Temperaturverhalten
- Energieeffizienz
Bewertung der Zerkleinerungs- und Fördertechnik
- mechanischer Zustand
- Verschleißzustände
- Antriebs- und Lagertechnik
- Materialfluss
- konstruktive Schwachstellen
Untersuchung der Pelletpresse und Peripherie
- Rollen-/Matrizenzustand
- Presskanalverschleiß
- Getriebe- und Motorzustand
- Schwingungsverhalten
- Lager- und Schmierpunkte
Kühlung und Absackung
- Durchsatzverhalten
- Staubentwicklung
- Lufttechnische Gegebenheiten
- Zustand der Transportwege
Einsatz moderner Thermografie
Um fehlende technische Daten zu kompensieren, wurden thermische Messungen durchgeführt. Diese zeigten:
- starke Temperaturanstiege an Lagern und Antrieben,
- Überlastbereiche an der Pelletpresse,
- ineffiziente Wärmeführung in der Trocknungsanlage,
- potenzielle Brandrisiken durch Fehlisolierungen,
- ungleichmäßig ausgelastete Komponenten.
Die Thermobilder lieferten objektive Erkenntnisse über Belastungszustände, die dem Betreiber selbst nicht bewusst waren.
Gesamtbewertung
Die Anlage war zwar lauffähig, aber:
- technisch veraltet
- sicherheitstechnisch unzureichend
- dokumentationslos
- wartungsintensiv
- energetisch ineffizient
- mit erheblichen Risiken für Dauerbetrieb
Ein wirtschaftlicher Wiederaufbau in der EU wäre weder genehmigungsfähig noch kostendeckend gewesen.
Empfehlung an den Kunden
Nach Auswertung aller Daten wurde eine klare Empfehlung ausgesprochen:
Die Anlage nicht kaufen.
Der Kunde blieb dadurch vor einer Investition geschützt, die später hohe Folgekosten verursacht hätte – für Umbau, Nachrüstung, Reparatur und Sicherheitsmaßnahmen.
Warum diese Story wichtig ist
Dieses Projekt zeigt exemplarisch, welchen Mehrwert eine unabhängige technische Due Diligence bietet:
- Schutz vor Fehlinvestitionen
- objektive Bewertung statt Verkäuferargumentation
- technische Analyse durch echte Fachleute
- klare, faktenbasierte Entscheidungsgrundlage
- Herstellerunabhängigkeit
- Erfahrung aus realen Anlagenbetrieben
Kunden erhalten eine neutrale, ehrliche Einschätzung – frei von Verkaufsinteressen.
Fazit
Die Kombination aus Maschinenbaukompetenz, praktischer Erfahrung und moderner Diagnosetechnik ermöglicht es, gebrauchte Anlagen fachlich fundiert zu bewerten.
In diesem Fall war die Entscheidung klar:
Besser nicht kaufen.
Ein gutes Beispiel dafür, wie technische Expertise Kunden vor Fehlentscheidungen geschützt und Kosten in erheblichem Umfang vermieden hat.

